Wenn´s mal wieder länger dauert

Wenn Du als Individualtourist Sri Lanka bereisen willst, hast Du im Grunde zwei Möglichkeiten der Fortbewegung:

a) Die Komfortmethode – Du mietest dir gleich bei der Ankunft am Flughafen einen Wagen samt Chauffeur für 30 bis 40 Euro pro Tag und lässt dich durch die Gegend kutschieren. Der Fahrer kennt sich bestens aus, stoppt an jeder Sehenswürdigkeit und weiß die besten Hotels (denn dort kriegt er ja auch die beste Provision). Die A/C verschafft Dir Kühlung und die Stoßdämpfer deines komfortablen Wagens federn die schlimmsten Schlaglöcher einfach weg.

b) die harte Tour – Du lässt die Schlepper und Chaufeure am Flughafen stehen, steigst in das erstbeste Tuk-tuk und schlägst Dich mit Bus und Bahn durch das Land. Die Busse sind immer voll, die Züge immer verspätet. Doch das ertägst Du mit einem Lächeln im Gesicht.

Doch zunächst einmal die Schattenseiten…

Der dicke Mönch beispielsweise, der neben Dir sitzt und sich doppelt breit macht, während Du zwischen Armlehne und seiner linken Gesäßhälfte in den Sitz gequetscht wirst und aussiehst wie ein halbgares Wienerwürstchen. Du hast natürlich Respekt vor einem Geistlichen und willst dich nicht beschweren. Doch bei jedem Schlagloch – und die „A12“ von Anuradhapura nach Trincomalee, (die diesem Namen beiläufig bemerkt nicht annähernd gerecht wird) hat baustellenbedingt hunderte davon – beginnt der Typ einen Kampf um jeden Zentimeter Sitzfläche. Der Mönch macht sich immer noch breiter und Du leidest nach zwei Stunden unter immer stärkeren Rückenschmerzen. Ein Wechsel der Taktik verschafft Dir dann endlich etwas Linderung. Du konzentrierst nämlich die wenige Restenergie deines Körpers in die rechte Achselhöhle und regst die Produktion von Körperschweiß an (was in Ermangelung einer Klimaanlage und der backofengleichen Außentemperatur nicht schwer fällt) und eroberst Dir schwitzenderweiße Zentimeter um Zentimeter zurück, bis der dicke Mann neben dir endlich nachgibt und sein Gewicht in Richtung Fenster verlagert.

Noch schlimmer als die ständige Platzangst ist allerdings die schreckliche und extrem laute Musik a la Bollywood, die vier Stunden dein Ohr malträtiert, weil sich dein Sitzplatz dummerweise auch noch direkt unterhalb der Lautsprecherbox befindet.

Oder die staatliche Eisenbahngesellschaft, die auch immer wieder für eine Geduldsprobe gut ist… Du musst an Knotenpunkten keine Angst haben, dass Du deinen Anschlusszug verpassen könntest. Denn umsichtigerweise hat die Staatsbahn die Umsteigezeit mit mehreren Stunden sehr auskömmlich dimensioniert. Und weil Du in den letzten sechs Stunden sage und schreibe 230 Kilometer von Habarana bis Polgahawela Junction zurückgelegt hast, ärgerst Du dich kaum, dass Du für die verbleibenden 40 Kilometer nach Kandy nun nochmal sechs Stunden brauchen sollst – Wartezeit inklusive. Du bist auch überhaupt nicht genervt, als Du deine Fahrkarte wegschmeißt und ein klappriges Tuk-Tuk charterst. Anderthalb Stunden quält sich das dreirädrige Gefährt die Gebirgstraße hinauf. Die Abgase und den Staub der vielen Busse und Lkw, die dich in halsbrecherischer Manier überholen, schluckst Du tapfer runter. Erst als der Tuk-Tuk-Fahrer den Preis nachverhandeln will, weil er planlos durch Kandy irrt und das Guesthouse nur mit Hilfe deiner Fertigkeiten im Lesen eines Stadtplans findet, reisst Dir die Hutschnur und es rappelt im Karton… Hey, think positive – immerhin erreichst Du dein Tagesziel noch vor Einbruch der Dunkelheit.

Du gibst der Bahn noch eine zweite und dritte Chance. Sie dankt es Dir mit „engine problems“. Der Zug von Ella nach Bandulla muss noch eine liegengebliebene Diesellokomotive des vorausfahrenden Zuges abschleppen. Das Rangiermanöver bringt eine Stunde Verspätung ein. Der Zug ist gut ausgelastet, zwar nicht mit Passagieren, dafür mit Benzin, Post, Stückgut und den Lohntüten der Eisenbahner. Das wirkt sich nicht gerade positiv auf die Geschwindigkeit aus.

Für den Rückweg stellst Du dich brav eine halbe Stunde lang am Ticketschalter an. Dann erneut die Durchsage: „engine problems, two hours delay“… Macht nix, der knackevolle Bus, der im Harakiri-Stil durch die Berge rauscht, entpuppt sich als Alternative. Du musst dich zwar an den Sitzgriffen festkrallen, um in den Serpentinen nicht aus der offenen Tür zu fliegen, aber immerhin ergatterst Du nach vierzig Minuten einen Sitzplatz in der engen Dreierreihe. Der nette Herr links neben Dir legt alsbald seinen Kopf zum Schlafen auf deine rechte Schulter.

Du hast schon diniert und liegst im Bett, als der Zug pfeifend seine Ankunft in Ella kundtut und wenige Minuten später an deinem Hotelzimmer vorbei in die Dunkelheit der Nacht entschwindet. Drei Stunden nach Fahrplan versteht sich…

Mehr als nur einmal fragst Du dich: Warum zur Hölle tue ich mir diese Strapazen im Urlaub an? Doch jedesmal, wenn Du eine dieser Fahrten erfolgreich hinter dich gebracht hast, kehrt das eingangs erwähnte Lächeln auf deine Lippen zurück. Denn Du hast…

– die freundlichsten Menschen getroffen

– unzählige nette Gespräche mit Einheimischen geführt

– atemberaubende Gebirgsstrecken befahren

– Dir den Fahrtwind auf dem Trittbrett um die Nase wehen lassen

– für dein Ticket 3. Klasse so einen geringen Betrag bezahlt, dass es sich eine Umrechnung in Euro schon gar nicht mehr lohnt

– viele winkende Kinder glücklich gemacht

– mal wieder ein Eisenbahnabenteuer erlebt

– nur die Hälfte für dein Hotelzimmer bezahlt, weil Du den Manager im Bus kennengelernt hast

– eine gratis Safari vom Zugfenster aus erlebt

– dir den Respekt der Einheimischen verdient

– dich aufgrund deiner Hautfarbe und deines Aussehens selbst zur Attraktion gemacht und vielen Mitreisenden die Langeweile vertrieben

2 Gedanken zu „Wenn´s mal wieder länger dauert

  1. Katha, 18 Jun 2013:
    :-)Ich sitze hier in der Schule und sehne mich nach Urlaub…Schön, dass es euch so gut geht! Freu mich schon wieder auf euch!!! Haben heute Hitzefrei!!!! Wie geil ist das denn! Es ist heiß in Deutschland und endlich Freibad- und Biergartenwetter! Küssle an euch beiden! Eure Kathi

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