Ganz großes Kino

Während der stundenlangen Fahrt durch’s Masai-Land haben wir auf den holprigen Pisten eine Menge Staub geschluckt. Die Vorfreude ist riesig, als wir endlich die Schranke zum Serengeti Nationalpark passieren. S-E-R-E-N-G-E-T-I – allein der Gedanke an diesen klangvollen Ort erzeugt Bilder vor dem geistigen Auge von endloser Steppe, aasfressenden Geiern und Löwenrudeln im Schatten von Affenbrotbäumen im dunstigen Morgenlicht. Und plötzlich wachst Du aus deinem Traum auf und bist mitten drin im wilden Afrika. Auch wenn sich das Auge schnell an Zebras, Giraffen und Elefanten gewöhnt – es bleibt eine surreale Umgebung, denn die gewaltigen Eindrücke lassen sich nur häppchenweise verarbeiten, werden aber pausenlos in gewaltigen Portionen serviert.

Schon nach wenigen Minuten im Norden der Serengeti befinden wir uns mitten drin in der „Großen Migration“. Zehntausende Gnus ziehen durch den Busch auf der Suche nach Wasser und frischem Gras. Wir haben großes Glück, denn eigentlich sollten die rund eine Million (!) Tiere schon in Richtung Kenia unterwegs sein. Starke Regenfälle haben den „Trek“ aber zum Umkehren veranlasst und so erleben wir ein großartiges Naturspektakel im menschenleeren Norden. Mit dem Jeep mischen wir uns unter die große Herde. Gnus zur Linken und Gnus zur Rechten soweit das Auge reicht. Dazwischen unzählige Zebras… Die Geräuschkulisse ist unbeschreiblich. Rivalisierende Gnus prallen krachend mit ihren behörnten Schädeln aufeinander und schreckhafte Exemplare galoppieren blöckend vor dem Auto davon. Die unendliche Zahl der Tiere ist nicht mit bloßen Worten zu beschreiben. Später sitzen wir bei einer Tasse Kaffee und einem Teller Popcorn vor unserem Zelt auf einer Anhöhe und beobachten die in der Ferne vorbeiziehende Gnu-Ameisenstraße mit dem Fernglas. Ganz großes Kino da draußen in der Wildnis…

Da wird das Vorrundenspiel Deutschland gegen Portugal fast schon zur Nebensache. Weil sich in der nahegelegenen Lodge keine Gäste aufhalten, weichen wir auf eine kleine Trinkhalle für einheimische Hotelangestellte aus. Zwar ist der Fernseher winzig und der Ball nur als klitzekleiner Punkt aus der letzten Reihe zu erspähen. Aber hey – wir sind mitten in der Serengeti und da ist ein Liveübertragung schon fast eine kleine Sensation. Ein 4:0 für die deutsche Mannschaft macht den Tag schließlich perfekt.

Gerade mal zwei Zelte stehen auf dem einsamen Lobo Camp Ground. Ein bisschen mulmig ist uns schon zumute, als wir in den Schlafsack kriechen. Unser Guide Faraja hat uns davor gewarnt, nachts das Zelt zu verlassen oder auch nur den Reissverschluss zu öffnen. Hier draußen treiben sich Löwen, Leoparden und andere Raubtiere herum. Die Serengeti ist kein Streichelzoo und was sich hier Nacht für Nacht abspielt ist nichts anderes als fressen und gefressen werden. Da stellen Rucksacktouristen keine Ausnahme dar. Ein fetter Büffel grast laut schmatzend in einem Abstand von wenigen Metern an unserem Zelt vorbei. Der Puls steigt merklich, aber irgendwann obsiegt dann doch die Müdigkeit. Am nächsten Morgen erfahren wir von einer Löwensichtung gleich um die Ecke und ein kalter Schauer läuft uns den Rücken herunter.

Die frühmorgendliche Pirschfahrt ermöglicht vom geöffneten Dach des Jeeps fantastische Ausblicke auf die hüglige Landschaft und die bunte Tierwelt. Ein stärkendes Frühstück – und schon sind wir auf der Fahrt ins Herzen der Serengeti. Kurze Zeit später entdecken wir die ersten unter einem Baum schlafenden Löwen. Auch mit den Hippos schließen wir Bekanntschaft. Zu Dutzenden liegen sie in ihrem natürlichen Pool und scheißen sich gegenseitig das Wasser dreckig. So eine Nilpferdbrühe stinkt wirklich gotteslästerlich – und das Wasser des kleinen Flusses ist für alle anderen Tiere am Unterlauf völlig ungenießbar – ganz schön egoistisch angesichts der Wasserknappheit.

Auf dem Zeltplatz in Serenaia ist es nicht mehr ganz so einsam. Dutzende Zelte umringen uns und in der Küche geht es zu wie im Taubenschlag. Ab fünf Uhr morgens herrscht Hochbetrieb und das laute Geschnatter der Köche schallt über den von Dunkelheit umgebenen Platz. Ein Wecker erübrigt sich, denn angesichts des Geräuschpegels kriechen wir freiwillig aus den Federn. Im ersten Morgengrauen sind wir wieder auf den staubigen Pisten unterwegs. Eine Elefantenfamilie, ein einsamer Löwe und der sehr seltene Gebhard erweisen uns die Ehre. Die Serengeti wird immer flacher, die Bäume werden seltener und verschwinden irgendwann ganz. Vor uns liegt „flaches Land“ (= die Masai-Übersetzung von Serengeti) so weit das Auge reicht. Erst im Februar herrscht hier wieder Hochbetrieb, wenn die große Migration vorbeikommt.

 

3 Gedanken zu „Ganz großes Kino

  1. Mama, 23 Jun 2014:
    Wow ! Gigantisch und beeindruckend diese Bilder. Ich bin froh, dass euch kein Löwe gefressen und keine Elefanten Euern Jeep zertrümmert haben (Ich lese leidenschaftlich gerne Afrikaromane – aber wahrscheinlich geht mir deshalb die Phantasie durch !)Also weiterhin einen schönen Urlaub

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