Was heißt arm sein?

Wenn man kein eigenes Bett zum Schlafen hat, oder wenn es kein Bad, kein fließendes Wasser und nichtmal ein Klo gibt? Oder wenn die ganze Familie von Vater Ernesto in einem Raum, der gleichzeitig als Küche dient, schläft? Genau so lebt unsere Gastfamilie auf der Isla Taquille mitten im dunkelblau glitzernden Titikakasee. Trotzdem schauen uns lachende Kinderaugen an, als wir zum Abendessen in die spärliche Lehmhütte kommen. Es gibt keinen Tisch und keine Stühle, so sitzen wir auf dem Bett und essen das beste Omelett aller Zeiten auf unseren Knien. Bei nur einer Kerze im Raum und der kleinen Glut im Holzofen sieht man kaum, was man sich in den Mund schiebt. Der frische Tee ist köstlich und die Konversation auf Spanisch läuft. Allerdings nur mit dem Papa der Familie, alle anderen sprechen die Einheimischensprache „Quecha“, die sich für uns ganz ungewöhnlich anhört. Unsere mitgebrachte Ananas kommt als Geschenk gut an und die Kinder strahlen. Wir albern mit Ihnen herum und zeigen die gerade geschossenen Fotos auf der Kamera, das ist wahnsinnig aufregend und faszinierend für sie. Unsere Hütte liegt fünfzehn Minuten entfernt und so treten wir nach dem Abendessen in vollkommener Dunkelheit den Heimweg an. 
Ein Badezimmer gibt es nicht. Man verrichtet seine Notdurft im Garten hinter oder vor dem Haus. Natur pur! Zähneputzen kann man in einer Tonne in der Regenwasser gesammelt wird. Und was war nochmal eine Dusche? Na gut, eine Nacht hält man das schon mal aus, man hat ja die Aussicht auf ein frisch geputztes Bad mit Warmwasserdusche und Toilette, inklusive Klopapier am nächsten Tag. Da merkt man erstmal, das die alltäglichsten Dinge ganz schön luxuriös sein können. 
Nach diesem erlebnisreichen Ausflug in eine Vergangenheit merkt man wieder wie gut es uns allen geht. Die Kinder sind dort sicher nicht unglücklich und Hunger muss auch keiner leiden, aber das Leben ist hart und von Arbeit geprägt. Umso erstaunlicher, dass Ernestos Großmutter bereits seit 98 Jahren auf der Insel lebt. 
Aber auch wir müssen für dieses Erlebnis körperlich leiden, denn es gilt, einen extrem steilen Anstieg vom Bootsanleger ins Dorf mit über 100 Höhenmeter samt Gepäck hinzulegen. Da bleibt einem auf fast 4000m Höhe die Luft regelrecht weg! Stellenweise werden wir dabei lächelnd von Einheimischen überholt, die 50 Kilo schwere Säcke mit Reis oder Zucker scheinbar mühelos den Hang hinauf schleppen. 
Wir haben auf der Isla Taquille keine krasse Armut gesehen, die Menschen sind glücklich, es gibt Essen und sogar eine Sekundarschule. Auch möchten wir uns nicht anmaßen, Armut zu definieren, aber das wir Einblick in ein wirklich einfaches und arbeitsreiches Leben hatten, dass können wir mit Sicherheit sagen!

2 Gedanken zu „Was heißt arm sein?

  1. Katrin Schwarz, 17 Jan 2012:
    Hallo ihr zwei, ich bin eine Mitarbeiterin in der Bücherei und hab mit Petra letzte Woche über euerProjekt gesprochen und bin total fasziniert von euren Berichten und finde es toll wie konzequent ihr das durchzieht. Habe auch euren Bericht mit dem Meerschweinchenessen gelesen und müsste an meine beiden denken, indemfall hat man nichts verpasst die zu essen. Bei uns am Bodensee ist’s saukalt und Dauernebel. Lese weiter gespannt eure Berichte und Wünsche Euch weiterhin ganz viel Erfolg bei Eurer Reise. Liebe Grüße und Breisgau Ofaloch Katrin Schwarz

  2. Pa Tilmann, 18 Jan 2012:
    „Krieg den Palaesten, Friede den Huetten!“ fällt mir dazu ein. Solche Gegensätze (Lehmhütte/Luxuszug) provozieren das geradezu. Mir ist nicht ganz klar inwiefern Ihr bei der Familie genächtigt habt, gibts da, wenn auch bescheiden, eine touristische Infrastruktur? Habt Ihr wieder Schlafsäcke? Bei der nächtlichen Kälte gehts ja nur so! Kann man den armen Bauern klar machen, dass Ihr bei uns in Alemania keine Millionäre seid? Haben die eine Vorstellung was bei uns läuft, wohl nicht da es sicher keine Zeitung u.ä. gibt. Trotz meiner Nachfragen, Ihr macht einen tollen Job mit Eurem Blog, ganz prima Fotos und super Berichte, weiter so! Der countdown läuft, bald gibts ein Wiedersehen, freu mich riesig auf NZ.

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