Die 380 Kilometer lange Fahrt mit dem „Andean Explorer“ kostet pro Person etwa 180 Euro. Ganz schön happig für ein Backpacker-Budget, aber da die Bahnstrecke zu den schönsten der Welt gehört, haben wir nicht lange gefackelt und uns zwei Tickets besorgt. Am Bahnhof von Cuzco werden uns die Rucksäcke freundlich abgenommen und zum Gepäckwagen getragen. Mindestens genauso freundlich hält der Gepäckträger anschließend die Hand für ein Trinkgeld auf. Da wir Luxusreisen ansonsten stets vermeiden, haben wir – mangels Erfahrung – kein Kleingeld in der Tasche. Der gute Mann zieht beleidigt davon, einen Schein war es uns dann doch nicht wert. Der von einer Diesellokomotive gezogene Zug besteht aus einem Packwagen, zwei Sitzwagen und einem Gesellschaftswagen mit Panoramafenstern und Aussichtsplattform.
Wir werden zu unseren Plätzen geleitet und sind angenehm überrascht, als wir gemütliche Sessel vorfinden. Auf dem Tisch steht eine frische Rose, im Hintergrund dudelt Panflötenmusik aus dem Lautsprecher. Pünktlich um 08:00 Uhr startet der komfortable Andean Explorer zu seiner zehnstündigen Fahrt nach Puno an den Titikakasee. Pfeifend bahnt sich der Zug seinen Weg durch die Wohnsiedlungen von Cuzco. Nur langsam weichen die lärmenden und staubigen Straßen, die Müllberge werden kleiner und nach etwa einer halben Stunde sind wir endlich im Grünen. Fortan prägen einzelne Dörfer, hohe Berge und ein reißender Fluss die Landschaft.
Im Zug ist derweil Unterhaltungsprogramm für die Touristen angesagt. Den „Pisco Sour“ hinten auf der Aussichtsplattform können wir ja noch genießen, aber die Modenschau mit Trachten ist dann doch etwas peinlich und „Touristenbelustigung von der Stange“. Fotoapparate blitzen, als die peruanische Dame aufreizend durch den Waggon stolziert.
Nein, wir sind an Bord gegangen, um die großartige Landschaft zu genießen und so beobachten wir lieber, wie die Diesellokomotive unter voller Last immer höher bergan steigt, bis wir nach viereinhalb Stunden schließlich die Passhöhe von „La Rama“ auf 4.314 Metern erreichen. Der Zug stoppt für eine Viertelstunde. Hektik bricht an den vielen Marktständen aus, wo Kunsthandwerker bereits sehnsüchtig auf die Touristen warten. Jede Bewegung strengt auf dieser Höhe an und so bleibt kaum Zeit, den kleinen Markt zu beobachten und einige Aufnahmen von der Landschaft zu schießen. Pfeifend gibt die Lokomotive das Signal zum Aufbruch.
Nach der Passhöhe ist das Altiplano, eine riesige Hochebene in den Anden, erreicht. Die Landschaft wird flacher, die Berge niedriger. Zeit fürs Mittagessen. Das „Gourmet-Menü“ besteht aus drei Gängen und schmeckt vorzüglich. Dazu wird ein gutes Glas Rotwein kredenzt. Links und rechts der Gleise säumen derweil Alpakas, Rinder und Schafe die zahlreichen Weideflächen.
Nach dem Mittagessen spielt eine peruanische Musikkapelle im Gesellschaftswagen auf. Natürlich mit Panflöten, Trommeln und dergleichen bewaffnet – und in voller Tracht, damit die Touristen auch weiterhin schöne Fotos machen können. Wir bleiben sitzen – keine Lust auf solche Inszenierungen. Viele Stunden vergehen, einige Reisende schlafen, wir werden jedoch nicht müde, die großartige Landschaft durch die Panoramascheiben bzw. von der Aussichtsplattform zu bewundern. Der Zug nähert sich langsam seinem Ziel, vorher passieren wir jedoch die Stadt Juliaca. Gerade wird zum „Afternoon-Tea“ gerufen, als wir die ersten Straßenzüge überqueren. Noch nie hat sich uns eine derart hässliche und dreckige Stadt offenbart. Wir sitzen dekadent bei Tee und Schokopralinen und sehen durch die Scheiben, wie draußen die Leute am Straßenrand im Dreck sitzen und Handel betreiben. Es scheint als wäre die ganze Stadt ein riesiger Markt, die Stände reichen bis wenige Zentimeter an den Zug heran und so schleichen wir mit Schritttempo und lautem Pfeifen durch die Gassen. Beim kurzen Halt im Bahnhof will niemand ein- oder aussteigen, so dass wir die Fahrt in Richtung Sonnenuntergang schnell fortsetzen. Noch knapp eine Stunden bis Puno. Der Tag liegt in den letzten Zügen, als wir am Titikakasee eintreffen. Eine großartige Bahnfahrt, die sich zu recht rühmen darf, eine der schönsten der Welt zu sein, endet damit.