TIC – this is Cambodia

(als Grenzbeamter verkleideter Schlepper): „Welcome to the border of Cambodia, you can buy your visa here.“ (wedelt mit Formular und gefälschtem Dienstausweis herum)
(Bernd): „This is not the border!“
(als Grenzbeamter verkleideter Schlepper): „Okay“ (Tuk-Tuk-Fahrer lacht, als Grenzbeamter verkleideter Schlepper lacht, Lena und Bernd lachen, Tuk-Tuk-Fahrer gibt Gas und fährt zum echten Grenzübergang). (Lena und Bernd kaufen sich von dem gesparten Geld je ein Eis und ein Busticket nach Battambang)
Mit diesem kleinen Laienschauspiel gibt Kambodscha seinen Einstand. Vier Wochen lang haben wir das Land bereist.

Fortbewegung: Bus, Tuk-Tuk, Bambusbahn, Fahrrad, Boot, Moped
zurückgelegte Kilometer: 1.281
Zeitraum: 27 Tage im August
Stunden unterwegs: 31
Sonnentage: fantastisches Wetter trotz Regenzeit. Gerade mal drei Tage hat es komplett verregnet
Temperatur: extrem schwül, v.a. nach einem Regenschauer
Wildlife: Ratten, müllfressende Kühe, gegrillte Vogelspinnen, aufgespießte Schlangen
Budget: 23 Euro pro Person und Tag
Unterkünfte: von offener Bambushütte bis Mittelklassehotel mit Pool war alles dabei
Gesamtbewertung: Schulnote 1,7

Weltreise - Kambodscha

must-sees:
Hätte Kambodscha nicht diese einzigartige, mystische und unglaublich riesige Tempelanlage von Weltruhm (die Rede ist natürlich von Angkor Wat) gäbe es vermutlich keinen nennenswerten Tourismus in diesem faszinierenden Land. 2,4 Millionen Besucher stürmen Jahr für Jahr die Stätte. Und auch die attraktive Actionheldin und Archäologin Lara Croft („Tomb Raider“) war schon vor uns da. Wer sich mehr als nur drei Tage in Kambodscha aufhält und nicht nur Angkor Wat besucht, wird schnell feststellen, dass das kleine Land eine gehörige Portion Exotik und unglaublich liebenswerte und freundliche Einwohner zu bieten hat.

Kambodscha hat aber auch diese dunkle, traurige Seite. Als der Revolutionär „Pol Pot“ mit seinen „Khmer Rouge“ 1975 die Macht an sich riss, wollte er Kambodscha in einen kommunistischen Agrarstaat überführen. Am Ende ließen etwa 2,3 Millionen Kambodschaner (etwa ein Drittel der Bevölkerung) ihr Leben. Als Staatsfeinde des paranoiden Regimes galten u.a. alle gebildeten Menschen. Lehrer, Beamte oder Ärzte wurden grundlos gefoltert und anschließend hingerichtet. Menschen mit Fremdsprachenkenntnissen oder Brillenträger konnten plötzlich als Staatsfeinde gelten. Die Killing Fields bei Phnom Penh sind ein Muss für viele Reisende. Der Rundgang ist allerdings schonungslos brutal und mit einem Besuch in einem ehemaligen KZ zu vergleichen. Fassungslos gehen wir stumm nebeneinander her und lauschen dem deutschsprachigen Kommentar des Audiogeräts. Es treibt uns die Tränen in die Augen als wir die Massengräber sehen und hören, dass die Menschen mit Handwerkzeugen zu Tode geprügelt wurden, um teure Munition zu sparen. Auch Jahrzehnte später spuckt die rote Erde noch Kleidungsstücke, Knochenreste und Zähne von den tausenden Toten aus.

Besucher der Killing Fields und des Foltergefängnisses Tuol Sleng sollten sich kein weiteres Tagesprogramm in Phnom Penh vornehmen. Uns jedenfalls hat es zutiefst erschüttert und traurig gestimmt. Wer sich aber diesen Abgründen menschlichen Handelns stellt, wird umso mehr darüber erstaunt sein, wie lebensfroh und glücklich die Menschen in Kambodscha trotz ihrer dunklen Vergangenheit und Armut sind. DAS ist es, was uns an Kambodscha jeden Tag aufs Neue fasziniert.

Wer Kambodscha auf dem Landweg von Bangkok erreicht, sollte unbedingt den Umweg über Battambang nehmen und von dort mit dem Boot nach Siem Reap weiterfahren. Die siebenstündige Fahrt ist wirklich malerisch und bietet tiefe Einblicke in das einfache Leben der Menschen auf dem Lande. Der letzte Abschnitt der Bootsfahrt verläuft über den Tonle Sap. Der See wird in der Regenzeit vom rotbraunen Wasser des Mekong geflutet und schwillt auf die 20fache Größe des Bodensees an. Es erstaunt, dass die trübe Brühe als fischreichstes Gewässer der Erde gilt. Das zumindest unterstreichen die zahlreichen schwimmenden Dörfer, deren Bewohner auf Booten oder schwimmenden Häusern vom Fischfang leben.

forget-it:
Es gibt Orte, die das Fernweh anfachen. Kampot war ein solcher Ort für uns. Schon bei den Vorbereitungen der Weltreise haben wir davon geträumt. Von dem einsamen Bungalow am Flussufer zum Beispiel. Oder dem Bokor Hill mit seinen magischen Ruinen aus der Kolonialzeit. Es entsteht eine hohe Erwartungshaltung, weil Du den Ort von Bildern und Erfahrungsberichten anderer Traveller her kennst und ähnliche Momente erleben möchtest. Dann kommst Du an und stellst fest, dass das Hostel deiner Wahl eine charmlose Bruchbude ist. Du fährst mit dem Moped auf den Bokor Hill. Es herrscht so dicker Nebel, dass Du die Ruinen nicht findest, geschweige denn die eigene Hand vor Augen.

Dafür geht deinem Moped der Sprit auf dem Gipfel aus. In der Touristinfo hat man dir nämlich nicht erzählt, dass es auf dem Gipfel keine Tankstelle gibt, obwohl eine autobahnähnliche Piste hinaufführt, die sonntags von hunderten Autos frequentiert wird, deren Abgase du permanent am fressen bist. Du suchst in der Nebelsuppe verzweifelt nach einem Tropfen Sprit, den Du irgendwann auf einer Straßenbaustelle kriegst. Du bist nass, frierst und fährst frustriert wieder von diesem dämlichen Berg runter. Das in Gedanken ausgemalte Bild liegt in Scherben. Schade Kampot, unter anderen Umständen hätten wir vielleicht Freunde werden können. Gelegentlich sind die Informationen und Bilder, mit der Reiseführer und Internet dich überfluten schon ein Fluch. Einfach mal den Reiseführer zugeklappt lassen. Nicht jeden Ort googeln oder jede Sehenswürdigkeit bei Tripadvisor checken. Einfach mal die Karte nehmen und frei Schnautze durch die Gegend reisen. Klingt einfacher als es in Wirklichkeit ist…

Sihanoukville ist unser Gegenpol zu Kampot. Der Strand sei vermüllt und es gehe zu wie am Ballermann, haben wir gelesen. Wir fahren trotzdem hin, weil es dort das Vietnamvisum besonders unbürokratisch und schnell gibt. Der Strand ist überraschend sauber, dafür türmt sich der Müll meterhoch in den dahinter liegenden Straßen. Ratten und Kühe fressen den Müll, es stinkt zum Himmel.

Dann liegst Du am Strand. Die Sonne brennt dir auf den Bauch. Vor der schönen Kulisse von Rabbit Island lässt Du dir ein Crepes mit Nutella und Bananen für zwei Dollar zum Frühstück um Elf schmecken. Annie, die geschäftstüchtige Beautyqueen deines Strandabschnittes, schaut im Stundenrythmus vorbei, setzt sich zu dir auf die Liege und hält ein Schwätzchen. Dann betrachtet sie dich von Kopf bis Fuß und verkauft dir eine Rückenenthaarung, Pediküre, Nackenmassage und dergleichen. Zwischendurch ein Mangoshake. Abends ein leckeres Seafood BBQ und frischgezapftes Bier für 50 Dollarcent.

Die Erwartungen an den Ort waren auf niedrigstem Niveau. Sihanoukville ist keine Perle. Wer Badefreuden am Golf sucht, sollte wirklich lieber nach Thailand reisen. Dennoch haben wir hier eine großartige und erholsame Zeit. Sihanoukville wird in der Schublade mit der Aufschrift „schöne Erinnerung“ im Gehirn archiviert. Seltsam. Aber letztlich ist ein Reiseführer oder ein Reisebericht immer subjektiv, ist ein Urlaubsfoto immer der persönliche Blickwinkel des Fotografen auf seine Umgebung. Notiz für weitere Reisen: Nicht immer auf die Meinung von Reiseführern oder Mitreisenden hören. Vorbehaltlos hinfahren, erleben und eine eigene Meinung bilden.

 

top:
Kambodschas wahrer Schatz ist nicht Angkor Wat. Es sind seine Einwohner. Die Freundlichkeit und Warmherzigkeit die uns entgegengebracht wird ist einzigartig. Es reißt uns mit. Auf einer Woge der Begeisterung reiten wir mit einem Dauergrinsen durch das Land. Unzählige Male schallt uns ein freundliches „Hello“ auf der Straße von winkenden Kindern entgegen. Ein einziges Kinderlächeln – und der trübste Tag erscheint in einem warmen Licht. Die Menschen sind arm und viele sind traumatisiert von den brutalen Ereignissen der Vergangenheit. Und dennoch bringt dir jeder der 14 Millionen Kambodschaner ein Lächeln entgegen.

Ein paar gute Sachen haben die Kolonialherren aus Frankreich einst zurück gelassen. Baguettes, Café au Lait und Cremes au Chocolate zum Frühstück sind eine wohltuende Abwechslung.

 

wunderlich:
Es ist ja schön und gut, wenn ein kostenloser Pick-up-Service vom Hotel zum Busbahnhof angeboten wird. Doof nur, dass wir immer die allerersten Fahrgäste sind und uns den Arsch platt sitzen. In Kep brettert der Kleinbus nach einer Stunde Stadtrundfahrt zum zweiten Mal an unserem Hotel vorbei. Hätte man auch eine Stunde länger schlafen können. Tief durchatmen und wie die Expats denken: „T-I-C, this is Cambodia“.

Stromausfälle sind aufgrund von Versorgungsengpässen an der Tagesordnung. Dann guckst du den spannenden Film halt nicht zu Ende. „T-I-C, this is Cambodia“.

Es ist wohl ein Überbleibsel aus der Schreckensherrschaft der Khmer Rouge, wo Hungersnot herrschte, jedenfalls greifen die Kambodschaner bei frittierten Vogelspinnen, gegrillten Fröschen, Schlangen am Spieß und Heuschrecken gerne zu.

Der Song der Fantastischen Vier „Ich bin der Picknicker“ würde wohl bei jedem Kambodschaner ins Schwarze treffen. Ob am Strand, am Flussufer oder auf dem Berggipfel, überall reihen sich gedeckte Strohhütten mit Hängematten aneinander. Unter der Woche ist Ruhe. Aber von Freitagmittag bis Sonntagabend fallen hier die Kambodschaner wie ein hungriger Heuschreckenschwarm über alles essbare her. Die vielen Straßenhändler kommen richtig ins Schwitzen, um den Nachschub für die Großfamilien heranzuschaffen. Ein sehenswertes Spektakel. Leider hinterlassen sie dabei Berge von Verpackungsmüll, der auch Tage später noch herumliegen wird.

Bislang lautete die Devise der Reise meist „der frühe Vogel kann mich mal“. Kambodscha macht gewisse Anpassungen hinsichtlich des Tagesablaufs erforderlich. Ab 22:00 Uhr ist hier nämlich Nachtruhe. Totenstille. Dafür tobt das Leben auf der Straße und im Hotel ab 05:00 Uhr morgens in seiner vollen akustischen Vielfalt. Reißen die Zimmermädchen – die lautstark auf dem Gang schnattern – dich also mal wieder aus dem morgendlichen Tiefschlaf, setze deinen MP3-Player auf, übertöne sie mit lautstarker Rockmusik und denk dir dabei: „T-I-C, this is Cambodia“.

Wir lieben Geckos. Diese kleinen putzigen Racker, die an den Decken und Wänden umher trapsen und die bösen Moskitos fressen. Der Gecko in Kampot ist nicht ganz so niedlich. Er hat eher das Kaliber einer ausgewachsenen Kanalratte. Und er versucht die ganze Zeit uns auf den Kopf zu scheißen. Ätsch, Moskitonetz dazwischen…

Zocken ist hierzulande die liebste Freizeitbeschäftigung. Grüppchen von Frauen oder Männern sitzen beieinander und verspielen das gerade verdiente Geld beim Kartenspiel. Sind gerade keine Karten zur Hand, beweist der Kambodschaner Einfallsreichtum. So werden wir am Bootssteg in Kep Zeugen einer spontanen Partie Flip-Flop-Boule. Einsatz 2.000 Riel (50 Eurocent).

 

nervig:
Sechs Stunden heißt es im Reisebüro. Sieben Stunden heißt es am Busbahnhof. Achteinhalb Stunden dauert die Busfahrt letztlich. „T-I-C, this is Cambodia.“

Kurzstrecken gehen ziemlich ins Geld, weil es keine Öffis gibt. Praktisch jede innerstädtische Distanz muss mit einem Tuk-Tuk überbrückt werden. In Siem Reap wird man regelrecht von Tuk-Tuk-Fahrern belagert. Freundlich bleiben und dankend ablehnen ist beim hundertsten Mal gar nicht mehr so einfach. Eine gute Idee ist da das T-Shirt eines Mitreisenden mit der Botschaft: „No, I don’t need a tuk-tuk. Not today and not tomorrow.“

In Siem Reap begegnen uns viele verstümmelte Minenopfer, die in Grüppchen auf der Straße sitzen und musizieren. Es entsetzt uns, wie viele Japaner, Chinesen und Koreaner mit einem selbstgefälligen Lächeln für ein Foto posen, ohne auch nur einen einzigen Riel in den Hut zu schmeißen.

Prostitution (auch Kinder!) ist in Phnom Penh weit verbreitet. Und da sitzen sie wieder in den Cafés und Bars, diese weißen Männer auf der Suche nach Frischfleisch. Eine Frau bietet uns ihre „Dienste“ für 20 Dollar auf der Straße an. Wer die Zwangslage solcher Menschen ausnutzt, um sich billig zu vergnügen ist schon ein armes, perverses Schwein…

Ständig drängen sich Kinder als Führer auf, die uns durch Tempel oder Höhlen führen wollen und hinterher die Hand auf halten. Gibt man ihnen dann einen Dollar, sind sie beleidigt und fordern noch eine weitere Banknote. Am Strand schaut dich dieser kleine Junge mit seinen großen Kulleraugen an, verschlissene Kleidung am Leib und bettelt nach einem Dollar. Gewissenskonflikte sind in einem Entwicklungsland wie Kambodscha an der Tagesordnung. Du kannst mit Dollarnoten hier um dich schmeißen und die Armut der Menschen aber doch nicht wirksam lindern. Wir haben das auf Reisen immer so gehandhabt, dass wir Kindern kein Geld geben. Klingt hart, aber es ist für das Kind wichtiger, die Schule zu besuchen, als von den Eltern betteln geschickt zu werden. Wir möchten einen nachhaltigeren Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kambodscha leisten und unterstützen daher Hilfsprojekte, die wir uns vor Ort anschauen können.

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