The bus from hell

Nach drei Tagen endlich eine Lücke im Regengrau. Wir schnüren die Schuhe und wandern von Sapa aus zum Dorf Lau Chai. Auf matschigen Pfaden geht es stundenlang bergab durch die von Reisterassen und Berghängen geprägte Landschaft. Auch ohne einheimischen Führer geht das ganz gut – vorausgesetzt, man ist bereit, Umwege, Sackgassen und Schlammschlachten in Kauf zu nehmen. In Lau Chai genehmigen wir uns eine Nudelsuppe, ehe wir mit dem Mopedtaxi den Rückweg nach Sapa antreten. Die Mopedfahrt gestaltet sich noch abenteuerlicher als die Wanderung. Über Stock und Stein kämpfen wir uns bergan, mal müssen wir anschieben, mal das kippende Moped mit Armen und Beinen abstützen.

 Gut, dass es in Sapa Dienstleister gibt, die sich auf das Reinigen von Wanderschuhen spezialisiert haben. Noch schnell die Jogginghosen angelegt – und dann kommt auch schon der Nachtbus, der uns nach Dien Bien Phu bringen soll. Vor uns liegen zwanzig anstrengende Stunden bzw. 390 Kilometer bis nach Laos. Die Busfahrt beginnt romantisch, denn der Vollmond zaubert ein mattes Licht auf die spektakulären Berggipfel (leider auch auf die tiefen Abgründe entlang der unbeleuchteten Straße). Allerdings füllt sich der Bus rasch mit Vietnamesen und es wird zunehmend enger. Der Minibus hat 21 Sitze, wir zählen irgendwann 40 Passagiere und Unmengen an Gepäck. In den kurzen Mittelgang hat man acht Vietnamesen hineingepfercht. Da sitzen sie nun in einer Reihe wie im Ruderclub. Jeder schiebt seine Hände und Füße unter die benachbarten Sitze und legt den Kopf auf den Schultern des Vordermanns ab. Menschenpuzzle sozusagen. Berührungsängste sollte man nicht haben, wenn dir ein Vietnamese seinen Kopf in den Schoß legt.

Nach fünf Stunden endlich ein Pinkelstopp. Während wir uns die Beine vertreten, geraten die Vietnamesen mit dem Fahrer in Streit. Ein weiterer Passagier soll zusteigen, er hat zehn Sack Kartoffeln als Gepäck. Man will die Säcke unter unseren Sitzen verstauen, doch wir protestieren lautstark. Also wird das ganze Fahrzeug umgeladen um den (nicht mehr vorhandenen) Platz zu optimieren. Nach einer halben Stunde geht es endlich weiter. Nur noch fünf Stunden, das werden wir überleben (sofern nicht ein Erdrutsch die Straße verschüttet, wie wenige Tage zuvor geschehen). An Schlaf ist nicht zu denken. Die Vietnamesen schreien nachts in ihre Handys oder hören sich lautstark ihre Lieblingsschlager an. Wir sind gerädert, als wir morgens um 05:10 Uhr in den Busbahnhof von Dien Bien Phu rollen.
Keiner will uns beim Weitertransport in Richtung Laos behilflich sein. Irgendwann finden wir den einzigen Anschlussbus des Tages, der planmäßig um 05:30 Uhr nach Laos aufbrechen soll. Schon zeitig vor Abfahrt ist das Fahrzeug brechend voll. Wir ergattern die letzten Plätze hinten im „Fünfer“. Beinfreiheit gibt es allerdings nicht, weil sich dort bereits das Gepäck türmt. Letztlich setzen wir uns um 06:50 Uhr in Bewegung. Der Popo schmerzt zu diesem Zeitpunkt bereits unerträglich. Aus der Fünfersitzreihe ist ein „Achter“ geworden. Nach nur wenigen Minuten der erste Stopp. Vor einem Laden türmen sich dutzende zentnerschwere Säcke auf der Straße. Die werden alle in einer waghalsigen Aktion auf das Dach unseres Minibusses verladen. Mit bedrohlicher Schräglage rumpeln wir völlig überladen auf der Schotterpiste in Richtung Grenze. Die Abhänge werden immer steiler, die Straße immer schmaler. Nach drei Stunden ist endlich die Grenze erreicht. Die Formalitäten auf vietnamesischer Seite sind relativ schnell erledigt und nach der Passage von zehn Kilometern Niemandsland finden wir uns am Grenzübergang zu Laos wieder.

In Reih und Glied aufgestellt, wird mit einer Laserpistole zunächst bei jedem Fahrgast eine Fiebermessung vorgenommen. Schalter Nummer 1 stellt das Visum aus, Schalter Nummer 2 erhebt die Visumsgebühr in Höhe von 30 US-Dollar + 1 Dollar Bearbeitungsgebühr + 1 Dollar Überstundenzuschlag (ist ja schließlich Samstag heute!), Schalter 3 stempelt das Visum und kassiert nochmals 2 Dollar Stempelgebühr (nachdem der einigste Bus des Tages die Grenze überquert hat stechen die Zöllner vermutlich ein Fass an und verjubeln die vielen Touristendollars).

Ab hier sind es nur noch wenige Stunden bis nach Muang Khua, wo wir am nächsten Tag auf ein hoffentlich bequemeres Boot umsteigen werden. Die letzten Stunden versüßt uns eine kotzende Mutter mit ihrem kleinen kotzenden Kind. Wir müssen mehrfach anhalten, damit Eimer und Tüten geleert werden können. Endlich kommen wir nach fast zwanzigstündiger Fahrt in Mang Khua an. Obwohl der Ort jenseits des Flusses liegt und der Bus auf eine Fähre rumpelt, schmeißt man uns diesseits des Flusses heraus. Kleines Zusatzgeschäft für den Flusskapitän quasi… Wir steigen aus dem hintersten Fenster, der Mittelgang ist nicht mehr passierbar.
Laos kann nur besser werden. Der von anderen Travellern vergebene Name „Bus from Hell“ für die Verbindungen von Vietnam nach Laos trifft ins Schwarze

 

2 Gedanken zu „The bus from hell

  1. Leonie, 06 Okt 2012::-) Die Fähre kenn ich. Wir hatten auch keinen guten Start in Laos, same story. Allerdings hatten wir keinen Bus, sondern stattdessen ein „special VIP car open air“. Natürlich war außer open air nichts special an dem Truck. Nach Euren Erzählungen aus dem Bus, war das aber vielleicht gar nicht so schlecht… Fahrt ihr nach Don Khone? Hat mir gut gefallen dort! Ganz viel Spaß noch und es ist ja gar nicht mehr so lange bis ihr wieder kommt!

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