Fortbewegung: Eisenbahn, Bus, Moped, Flussboot, Fähre, Dschunke, Fahrrad
zurückgelegte Kilometer: 3.512
Stunden unterwegs: 78
Sonnentage: wir haben uns auf das Schlimmste eingestellt (September ist kein guter Reisemonat für Vietnam) – doch es kam anders, denn nur sieben Regentage sind eine ganz gute Bilanz
Temperatur: schwüler und heißer geht’s kaum noch
Wildlife: Ratten am Hotelpool, Wasserbüffel, gegrillte Frösche
Budget: 23 Euro pro Person und Tag
Unterkünfte: einfache Mittelklassehotels
Gesamtbewertung: Schulnote 2,7 (damit steht Vietnam ganz unten auf unserem Länder-Ranking)
must-sees:
Die wohl schönste Stadt Südostasiens ist Hoi An. Bunte Lampions schmücken die kolonialen Gebäude, Vietnamesen mit Spitzhut radeln oder e-biken durch die verkehrsberuhigten Gassen und hunderte von Schneidereien bieten ihre Dienste an. Maßgeschneiderte Hosen für 15 Dollar, ein Abendkleid für 25 Dollar und eine dicke Winterjacke – wir konnten trotz des geringen Platzes im Rucksack einfach nicht widerstehen.
Nur wenige Kilometer von der chinesischen Grenze und auf 1.600 Meter gelegen befindet sich das kleine Städtchen Sapa. Die Reisterassen der umliegenden Dörfer sind von bizarrer Schönheit. Wenn nur das Wetter im Hochland nicht so erbärmlich wäre. Die vielen in Tracht gekleideten Frauen der umliegenden Stämme sind sehr freundlich und wollen einen gleich auf eine (nicht ganz billige) Wanderung zu ihrem Dorf mitschleppen. Das kann allerdings auch nervig sein, weil man auf Schritt und Tritt verfolgt wird.
Statt einer dreitägigen Bootstour durch die Ha Long Bucht haben wir uns für eine individuelle Anreise nach Cat Ba Island entschieden. Eine goldrichtige Wahl, denn von Cat Ba aus lassen sich hervorragend Tagesausflüge in die Ha Long Bucht und die nicht minder schönere Lan Ha Bucht organisieren. Die Strände sind um diese Zeit menschenleer – aber auf keinen Fall im Juli oder August herkommen, denn dann fallen tausende von Vietnamesen hier ein (und dann wird es sehr sehr laut).
Hauptsaison (© commons.wikimedia.org)
forget-it:
Den Süden Vietnams kann man eigentlich getrost vergessen. Weder Saigon noch Dalat haben uns gefallen. Nichts als hässliche Zementschluchten, lauter Verkehr und viele viele Menschen. Das Mekong Delta ist völlig übersiedelt und auf den Flüssen geht es zu wie auf der A8 nach Feierabend.
top:
Mit dem Wiedervereinigungsexpress von Saigon nach Hanoi kann man im Nachtsprung bequem lange Strecken zurücklegen und kommt entspannt am Ziel an. Man muss sich halt darauf einstellen, dass schon ein Vietnamese im reservierten Bett liegt und mit einer vorgewärmten Matratze klar kommen.
Kulinarisch ist Vietnam ein Höhepunkt. Nur mit Nudelsuppe fängt der Tag gut an. Frische Frühlingsrollen, dazu gegrillten Tintenfisch oder Garnelen – man kann einfach nicht genug davon kriegen. Besonderer Höhepunkt ist der Straßengrill in der Hang Bong Straße in Hanoi. Auf Plastikhockern (Kindergartengröße) sitzen wir mitten im Verkehr und verzehren gegrillte Froschschenkel, Tintenfischspieße, Lachs mit Minze und dergleichen.
Vietnam ist ein billiges Urlaubsland, v.a. essen und übernachten sind extrem günstig.
Im Grunde sind die Vietnamesen sehr humorvoll und lachen viel. Wir haben glücklicherweise keine allzu schlechten Erfahrungen gemacht, was Abzocke oder Verarsche angeht (wohl aber fiese Geschichten von anderen Rucksackreisenden gehört).
wunderlich:
Setze dich in Vietnam niemals auf das einladende Mäuerchen im Schatten, denn das ist der bevorzugte Platz der Vietnamesen um öffentlich ihr „kleines und großes Geschäft“ zu verrichten. An vielen solcher Ecken stinkt es zum Himmel. Vietnamesen urinieren auch gerne mal im Rudel auf die Gleise, kurz bevor der Nachtzug am Bahnsteig einfährt. Eine ältere Frau setzt sich wenige Meter von uns entfernt ins Gleisbett und hebt ihren Rock. In Hue sitzt eine Frau am Fluss beim Wäsche waschen, während einen Meter oberhalb eine Straßenhändlerin ins Wasser pinkelt (das sind Erinnerungen, die man gerne löschen würde).
Hochzeitsfotos werden in Vietnam gerne auch schon vier Wochen vor der Hochzeit gemacht. Allerorts sehen wir Brautpaare vor den schönsten Kulissen posen. Neben dem Fotograf gehören Visagist sowie Spiegel- und Kleidträger zum Gefolge. An jedem Set muss die Braut in unzähligen verschiedenen Kleidern abgelichtet werden. Der Minivan mit getönten Scheiben fungiert dabei als mobile Umkleidekabine.
Schlangenblut mit Whisky ist ein beliebter Drink und macht (angeblich) Männer stark. Auf vielen Märkten sehen wir in Alkohol eingelegte Kobras. Na denn Prost!
Wer auf eine Lücke im Verkehr spekuliert, um die Straße zu queren, wird an einem Sonnenstich oder einer Staublunge verenden. Besser ist da die Taktik, gaaaaaanz langsam und entschlossen in den fließenden Verkehr zu treten. Und siehe da: Die Mopeds werden ausweichen – es sei denn, einer sendet gerade freihändig eine SMS auf seinem Handy und übersieht dich. Eine Portion Glück gehört dazu
Wir haben mehrere kleinere Verkehrsunfälle (glücklicherweise ohne Personenschaden) live erlebt. Sofort bildet sich eine Menschentraube, denn es folgt meistens ganz großes Kino. In Hoi An beispielsweise stoßen zwei Mopedfahrer an einer Kreuzung zusammen. Nach einem kurzen Wortgefecht nehmen die Kontrahenten ihre Integralhelme und prügeln damit aufeinander ein. In Hanoi schneidet ein Taxifahrer ein Moped mit einer dreiköpfigen Familie. Die erboste Mama steigt vom umgefallenen Moped herunter, tritt mit dem Fuß gegen die Fahrertüre und verpasst dem ahnungslosen Mann mit der Rechten einen Faustschlag mitten in die Fresse rein.
nervig:
Je näher wir China kommen, desto stärker nimmt die Rotzerei zu. Manch ein Genosse scheint den Rotz von den Zehen bis in den Rachen hoch zu ziehen. Des Schleimklumpens entledigt er sich spuckend auf der Straße. Widerlich, es wird aber wohl noch schlimmer werden…
Agenturen bescheissen immer beim Ticketpreis oder Transportgefäß. Idealerweise besorgt man sich den Fahrschein für Bus oder Bahn an den offiziellen Verkaufsstellen. Ist das nicht möglich, folgt ein nervenaufreibender Verhandlungsmarathon…
Der Gehörgangsterror und der dichte Verkehr sind die Faktoren, die einem Vietnam wirklich vermiesen können. Im Süden fährt man stundenlang durch Zementwüsten, keine Spur von Reisfeldern oder Natur. Abertausende Mopeds quälen sich stinkend und (grundlos) hupend durch die Straßen Saigons oder Hanois. Baustellen sprießen wie Pilze aus dem Boden – und mindestens eine befindet sich garantiert in der Nähe deines Hotels… Vermutlich liegt es an der lauten Umwelt, jedenfalls können sich Vietnamesen nicht normal unterhalten. Sie schreien sich regelrecht an – und da die vietnamesische Sprache recht aggressiv klingt – könnte man jedes mal meinen, sie würden in Streit geraten. Von Englischkenntnissen meistens übrigens keine Spur…
Zu allem übel stehen die Vietnamesen sehr früh am Morgen auf. Pünktlich vor Sonnenaufgang treten die Lärmterroristen trampelnd, schreiend, türknallend oder karaokesingend im Hotel in Aktion. Eine Überdosis Lärm – gepaart mit Schlafentzug – ist der Nährboden für eine Aversion gegen Vietnam. Das ist auch der Grund, weshalb Vietnam das vorläufige Schlusslicht in unserem Ländervergleich belegt. Wir bereuen die Reise durch Vietnam nicht, denn es gibt auch sehr schöne Ecken. Von einer vierwöchigen Urlaubsreise dorthin würden wir allerdings abraten. Es gibt (insgesamt betrachtet) entspanntere und schönere Länder in Südostasien…
Rentner Düll, 06 Okt 2012:
Wieder ein neuer Follower? Ich bin immer wieder aufs Neue angetan von Eurem unerschütterlichen Forscherdrang! Abseits aller Konvention und normaler Wege, auch nach 14 Monaten immer noch neugierig,Wildnis-Wagnisse wählend, Schlamm-Schlachten schlagend, schade nur, dass Ihr so gar nicht warm geworden seit mit dem Land. Das war immer mein unerfüllter Traum: einmal nach Vittnam, jetzt muss ich mir wohl was Neues suchen! Auch dafür besten Dank! Während hier die Bäume ganz langsam ihr Farbkleid ins Gelbgrüne ändern genießen wir letzte warme Sonnentage im Süden der Republik. Bis zum nächsten Skype-Kontakt, alles Liebe, euer Tilmann