Lagerfeuer und Sternenglitzer

Kaum ist das Weihnachtsfest vorbei, bricht endlich der Winter an. Dicke Flocken wirbeln durch die Luft und verzaubern den Schwarzwald in eine Wintermärchenlandschaft. Wir spazieren Hand in Hand durchs Städtchen und bewundern die leuchtenden Christbäume in den Wohnzimmern und Vorgärten. Und ein kleines bisschen ärgern wir uns, dass ausgerechnet jetzt unser Flug auf die Arabische Halbinsel ansteht. Vergangenes Jahr ist uns der deutsche Hochsommer durch die Lappen gegangen und heuer ist eben Wüstenstaub statt Pulverschnee angesagt. Die blaue Stunde bricht an und das Thermometer fällt auf Minus fünf Grad. Uns fröstelt. Der Gedanke an die heiße Wüstensonne löst nun doch Wohlgefallen aus!

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Mit dem Zelt im Kofferraum unseres Mietwagens verlassen wir kurz vor Mitternacht die Megacity Dubai. Der Oman – eines der letzten Paradiese auf Erden für Wildcamper – ist unser Ziel. Während der elftägigen Rundreise entdecken wir romantische, einsame und einzigartige Lagerplätze. Leider nicht in der ersten Nacht, denn es ist bereits zwei Uhr früh, als wir bei Hatta die Grenze zum Oman erreichen. Ein Geröllfeld direkt neben der Straße ist schließlich die Wahl für unser Nachtquartier. Wir drehen die Sitze des Chevrolets zurück und verbringen ungemütliche und quälende Stunden, bis endlich die rote Sonne über den Felsen aufgeht.

In der Nähe der kleinen Küstenstadt Barka starten wir tags darauf den zweiten Versuch. Schon auf dem Weg zum Strand graben sich die Räder unseres Unterklasse-SUV tief in den Sand der Dünen ein. Es geht nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts. Eine eiligst aus Treibholz gebaute Rampe ist unsere Rettung. Wir schlagen an Ort und Stelle das Zelt auf und wagen keinen weiteren Anlauf in Richtung Sandstrand. Um uns herum liegt Müll und Dreck verstreut, so weit das Auge reicht. Das Meer können wir am Horizont nur erahnen. Dafür entzücken die nahegelegene Autobahn und ein Militärflughafen das Auge des Betrachters. Auch akustisch bleibt diese Nachbarschaft nicht unbemerkt. Als beim Anstechen dann auch noch die Gasbuddel des Campingkochers leck schlägt und sich der flüssige Inhalt zischend in die Atmosphäre verabschiedet, ist die Urlaubsstimmung dahin. Trockenfutter statt Pasta – und ab ins Bett. Die lange Reise hat uns müde gemacht uns so schlummern wir binnen Minuten ein. Doch dann – Motorengebrüll und ein heller Lichtkegel lassen uns plötzlich aus dem Tiefschlaf hochschrecken. Da wird doch nicht etwa so ein verrückter Omani mitten in der Nacht durch die Stranddünen rasen? Oh doch, und er hält direkt auf uns zu. Der Puls schnellt nach oben, Adrenalin pumpt durch die Venen. Hoffentlich erkennt der Spinner rechtzeitig unser kleines, dunkles, in einer Senke verstecktes Zelt!? Wusch – der Irre verfehlt uns um etwa einen Meter (wie wir am nächsten Morgen an den Reifenspuren erkennen) und verschwindet im Dunkel der Nacht. Das mit dem wildromantischen Camping hat noch Luft nach oben murmeln wir schlaftrunken und noch immer leicht benommen von dieser nächtlichen Attacke.

Zufällig entdecken wir am Ende einer langen Irrfahrt (die Ausschilderung im Oman ist ein Ärgernis) bei Al Sifa einen wunderschönen feinkörnigen Sandstrand . An der einladenden Strandbar des nahegelegenen Nobelhotels kommen wir natürlich nicht vorbei und so genießen wir einen Sundowner am frühen Abend. Hier sollte man sein Zelt aufschlagen dürfen! Wir lassen es auf einen Versuch ankommen und fragen zögerlich den Kellner. Ganz verdutzt nehmen wir zur Kenntnis, dass das Zelten am Strand überhaupt kein Problem darstellt. Also schleppen wir vor den Augen der mittlerweile dinierenden Upperclass unser Campinggeraffel zum Strand und entzünden schwupp-die-wupp ein kleines Lagerfeuer. Das Meer wiegt sanft auf und ab, während die Lammkotelettes über der Glut brutzeln. Als die Nacht hereinbricht ist unser Campingglück endgültig perfekt. Über uns breitet sich ein Sternenzelt aus, dessen Funkeln uns den Atem raubt. Da! Eine kometenhafte Sternschnuppe rast vorbei und verglüht im Meer. Was für ein bezaubernder Abend… Nun gut, dass die pakistanische Großfamilie von nebenan ihren gesamten Müll am Strand liegen lässt und über einen Radius von zwanzig Metern verstreut, sollte nicht unerwähnt bleiben. Auf die nächtliche Strandrallye der einheimischen Jugend hätten wir auch gerne verzichtet. Aber immerhin waren wir diesmal so schlau, das Zelt nicht in die Nähe von verdächtigen Reifenspuren zu stellen…

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Ein Artikel im Spiegel Online Magazin hat uns auf den White Sand Beach bei Fins aufmerksam gemacht. Der grobe Kies- und Korallenstrand glitzert in der Nachmittagssonne. Unser Iglu steht auf einer kleinen Felsplatte etliche Meter über dem Meer, die garantiert nicht von Offroad-Vehiceln befahren werden kann (das sollte sich in der Neujahrsnacht als sehr clever herausstellen). Direkt hinter dem Zelt erhebt sich eine Klippe, die nicht nur als wunderbarer Aussichtspunkt sondern auch als Tsunami-Evakuierungspunkt taugt. Man weiß ja nie… Wiederum lässt uns der blöde Campingkocher im Stich. Für etwas heißes Wasser reicht’s gerade noch und so thronen wir auf einer Decke über dem Meer und löffeln Instantsuppe in uns rein. Als es dunkel wird gehen einige Lagerfeuer am Strand an. Wir liegen auf dem Rücken und gucken Sterne. Bernd vertreibt sich die Zeit damit, Steine ins Meer zu schmeißen. Als der erste Brocken die Wasseroberfläche trifft glimmt ein bizarres, blaues Licht auf. Plankton! Blaue Wassertropfen wirbeln durch die Luft und das erschreckte Plankton schießt leuchtend durchs aufgewühlte Wasser. Wozu bräuchten wir Feuerwerk angesichts dieses Naturphänomens? Kurz vor dem Schlafengehen schaut noch ein wilder Esel nach dem Rechten. Wir sind zu müde auf das Neue Jahr zu warten und schlafen friedlich ein. Wozu braucht es ein Feuerwerk, wenn wir unsere Geländewagen haben, dürfte sich die Dorfjugend gedacht haben, die wenige Minuten nach Mitternacht auftaucht. Frohes Neues Jahr raunen wir uns zu, als die Scheinwerferkegel unten am Strand auftauchen. Geschlagene zwei Stunden lang rasen die Omani mit ihren Fahrzeugen im Kreis um den Strand herum. Amüsiert beobachten wir die Szenerie aus sicherer Entfernung. Staub wirbelt auf, als sich die Fahrzeuge mit durchdrehenden Reifen und lautem Motorengebrüll in wenigen Metern Abstand an den Nachbarzelten vorbei schlängeln. Wir haben uns an diesen Anblick längst gewöhnt – scheint wohl irgendwie dazu zu gehören.

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Der langgezogene Strand bei Tiwi soll unser letzter Lagerplatz am Meer sein. Wir entdecken eine kleine Nische zwischen den Klippen und bauen das Zelt auf einem Untergrund aus grobem Kies auf. Treibholz gibt es massig und so lodert bald ein ordentliches Lagerfeuer in unserer kleinen Privatbucht. Flut und Dunkelheit brechen gleichzeitig über uns herein. Das Meer tobt und die Gischt spritzt meterweit zwischen den Felswänden umher. Was für eine eindrucksvolle Naturgewalt… Die Spaghetti verkochen leider im Topf und so bleibt einiges für die Fische über. Doch der funkelnde Mond, der über dem Meer aufgeht, entschädigt uns reichlich für das verkorkste Abendessen. Wir sitzen vor dem wärmenden Feuer und genießen den romantischen Augenblick. Plötzlich – zisch – die Brandung löscht das Feuer zu großen Teilen. In der Dunkelheit hat sich die Flut unbemerkt immer näher an unser Zelt herangepirscht, so dass wir unser Nachtlager schnell um einige Meter nach hinten verlagern. Die Geräuschkulisse des Meeres wirkt auf der einen Seite beruhigend, aber phasenweise auch bedrohlich. Und so riskieren wir nachts immer mal wieder einen Blick durch den Reisverschluss. Sicher ist sicher… Am nächsten Morgen hat sich das Meer beruhigt. Ruhig und flach umspülen die auslaufenden Wellen den Kiesstrand. Das blau-grüne Wasser wirkt sehr verlockend und so stolpern wir direkt vom Schlafsack in die Wellen.

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Auf dem Weg zu den Wahiba Sands darf ein Abstecher zum Wadi Bani Khalid auf gar keinen Fall fehlen. Inmitten des trockenen Wüstengesteins eröffnet sich dem Besucher eine Oase, in deren Mitte sich ein kleiner, von Dattelpalmen gesäumter Quelltopf befindet. Dieses Postkartenidyll teilen wir zur Mittagszeit leider mit vielen Touristen, die mit geführten Jeeptouren unterwegs sind und hier ihre Lunchpakete verputzen. Je tiefer wir aber ins Wadi vordringen, desto einsamer wird die Felsschlucht. Und immer wieder locken die mit kristallklarem Wasser gefüllten Felsspalten zu einer schnellen Erfrischung. So vertrödeln wir badend, schnorchelnd und wandernd den Nachmittag bis schließlich kein Tourist mehr zu sehen ist. Kurz vor fünf schließt das All-you-can-eat-Buffet, also laden wir noch schnell die Teller mit leckerem Reis, Kuskus und Hühnchen voll und genießen ein frühes Nachtmahl. Dann schließt das kleine Restaurant am See und auch die letzten Einheimischen verschwinden. Alleine in der Oase. Geil! Zeit, das Gepäck zu holen. Mit Schlafsäcken, Zelt und Klamotten bepackt wandern wir erneut in die Schlucht hinein. Schon am Mittag haben wir ihn gefunden – den perfekten Zeltplatz – direkt am Wasser unter Bäumen gelegen. Tagsüber hat das Wasser für Abkühlung gesorgt. Jetzt, in der Dämmerung, fühlt es sich an wie im Thermalbad. Dümpelt man ganz still im flachen Wasser vor sich hin, dann dauert es nur wenige Sekunden und hunderte kleiner Fische beginnen die Hornhaut vom Körper abzuknabbern. Lena hasst das Pieksen der Fischlein und erschrickt jedes Mal zu Tode, während Bernd sich stundenlang von den Spa-Fischen verwöhnen lässt. Es ist stockfinster, aber ganz langsam wandert das Mondlicht in die Schlucht hinunter, bis es endlich unseren Lagerplatz erreicht. Der Vollmond steht über dem Wadi und wirft ein schwaches Licht auf die dunklen Felswände. Totenstille. Das Wasser hat angenehme 25 Grad und die Fischlein knabbern fleißig. Quakende Frösche hüpfen umher. Wahrlich ein Magic Moment im nächtlichen Wadi, der uns unvergessen bleibt…

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In der kargen und ausgetrockneten Landschaft einen schönen Lagerplatz zu finden ist oftmals nicht einfach. Schon seit Stunden halten wir die Augen offen. Wir sind am Fuße des Hajargebirges in der Nähe der Stadt Roustaq unterwegs. Der Kassier am Eingang zur imposanten Festung wartet mit dem ultimativen Tipp auf: Wadi Tanuf. Ein Stichwort genügt. Wir suchen die kleine Ortschaft auf der Karte und düsen hin. Und tatsächlich eröffnet sich uns ein ausgetrocknetes Flussbett mit einem einladenden Zeltplatz unter Bäumen. Natürlich ist kein Mensch hier. Wir verbrennen unsere letzten Holzvorräte. Riesige Flammen recken sich in den Nachthimmel. Auf dieser Glut hätte man locker eine Sau grillen können. Leider haben wir nur Instantsuppe dabei und der halbe Liter Wasser kocht binnen eines Augenblicks. Bernd erkundet noch ein wenig den Kanal, der das Wasser ins Dorf transportiert und balanciert auf dem schmalen Rinnsal an der Felswand oberhalb des Flussbetts entlang. Mehr gibt es nicht zu tun. Außer Vollmond und Sterne gucken natürlich.

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Wir verlassen den Oman in Richtung Abu Dhabi. Bei Nakhal wollen wir noch eine letzte Nacht im Zelt verbringen. Es soll gleich hinter der Ortschaft Al Towarah heiße Quellen geben. Klingt verlockend, vielleicht finden wir dort einen netten Platz!? Am Ende des Dorfes stoßen wir tatsächlich auf ein Thermalbecken oberhalb eines kleinen Bachlaufs. Während die Männer oben im Pool sitzen und das heiße Wasser genießen, welches direkt aus einer Felsspalte sprudelt, baden die Frauen im Abwasser der Männer unten am Bach. Man muss die Machowelt des Islam nicht verstehen, aber es gehört selbstredend zur guten Sitte, dass man die Bräuche der Einheimischen respektiert. Lena wartet also im Auto und Bernd chillt mit den arabischen Männern im Thermalbecken. Die Hot Springs sind ein Idyll. Ziegen und Esel waten durch das warme Bachwasser und Frauen waschen die Wäsche. Seit diesem Besuch wissen wir: die kitschigen Felsquellen aus Gips und Beton im heimischen Thermalbad haben ein reales Vorbild. Nach dieser Wohltat waten wir durchs warme Wasser flussaufwärts in Richtung Wadi. Der perfekte Platz ist gerade groß genug für ein kleines Zelt und liegt direkt vor einem heißen Quelltopf. Hier – in unserem privaten Pool – spielt die Geschlechtertrennung keine Rolle und so genießen wir das heiße Wasser gemeinsam. Ein Dorfbewohner gesellt sich in der Abenddämmerung zu uns und mustert kritisch unseren Zeltplatz. Ob es in Ordnung sei, hier zu zelten, wollen wir wissen. Der alte Mann nickt eifrig. „Gar kein Problem. Aber passt auf die giftige Wasserschlage auf, die da drüben in der Steinmauer lebt“. Wusch – Kinnlade runter, Entspanntheit vorüber. Lena flüchtet aus dem Wasser, zieht den Reißverschluss von innen mit besonderer Sorgfalt zu und wart bis zum Morgengrauen nicht mehr gesehen. Auch Bernd ist die Sache nicht geheuer. Aber deswegen auf ein Bad im Mondlicht mit Fisch-Spa verzichten? Kommt nicht in Frage! Der Sicherheitsabstand zur erwähnten Schlangenbehausung wird aber maximalst vergrößert und bei jedem verdächtigen Geräusch zucken die Knie und machen sich zum Absprung bereit. Die Nacht geht ohne erwähnenswerte Ereignisse – wie z.B. Wasserschlangenbisse – vorüber und der neue Tag beginnt für Bernd mit ausgedehnter Körperhygiene im heißen Wasserloch. Welch Wohltat. Lena vermeidet strikt die Berührung mit Schlangengewässer, prahlt aber stolz, wie tapfer sie sei und überhaupt, dass solche Abenteuer nicht jede Ehefrau mitmachen würde… Wie recht sie doch hat. Jaja, mmmmhhh – tätschelnd und lobend trottet Bernd neben Lena her (nicht ganz uneigennützig, um dem angedrohten Pauschalurlaub zu entgehen). So ein Thermalwasser ist übrigens noch für was anderes prima zu gebrauchen: Car Wash! Berge von Gebirgsstaub waschen wir aus unserem dreckigen Chevi, bis die Soße quer über die Dorfstraße rinnt.

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Unser Outdoor-Fazit: Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten haben wir einzigartige und wildromantische Lagerplätze entdeckt. Der Oman ist touristisch (noch) nicht gut erschlossen, weswegen wir die meiste Zeit die Zweisamkeit inmitten großartiger Landschaft für uns alleine genießen konnten. Wenn man bereit ist, gewisse Abstriche beim Komfort hinzunehmen, wird man großartig dafür belohnt. Und das Beste: Es gibt keinerlei Sicherheitsbedenken und zelten ist wirklich an JEDER Stelle ausdrücklich erlaubt.

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Kulinarisch ist Camping im Oman eher einsilbig…

 

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