Jineteros – wenn Geschenke plötzlich Geld kosten

„Hola Amigo!“, „Where are you from?“, „Taxi, Taxi, Taxi!?“ schallt es uns schon von weitem entgegen, als wir aus dem Bus aussteigen und noch nicht mal unser Gepäck in der Hand halten. Besonders Trinidad ist überschwemmt von den sog. „Jineteros“ (=Reiter), die den Touristen das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Es bedarf zunächst einer Erklärung, warum das Abziehen von Touristen so lukrativ ist:

In Kuba gibt es zwei Währungen: Den Peso Nacionales (CUP) und den Peso Convertibles (CUC). Touristen bezahlen fast ausschließlich mit Convertibles, was zur Folge hat, dass die meisten Dienstleistungen und Waren für Touristen aufgrund des Wechselkurses bis zu 25mal teurer sind als für die Einheimischen. Kuba ist ein armes Land und auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen. Nun ist es aber so, dass Kubaner für viele Waren mittlerweile ebenfalls in CUC bezahlen müssen, z.B. am Kiosk, im Restaurant oder in der Bar. Der Durchschnittsverdienst eines Kubaners liegt aber bei unglaublich niedrigen 10 bis 15 CUC im Monat (1 CUC entspricht ca. 0,75 Euro). Eine Flasche Wasser am Kiosk (kostet ca. 1 CUC) oder ein Essen im Restaurant (kostet ca. 10 CUC) ist für die meisten damit unerschwinglich. Es sei denn, man hat durch Touristen Zugang zu den heiß begehrten Devisen. Wenn ein Jinetero durch Schlepperei, Trickserei, oder den Verkauf von billigen Waren nur 1 CUC am Tag verdient, dann hat er im Monat bereits mehr als das Doppelte eines Durchschnittsarbeiters im Sack. Und das ist genau das Dilemma. Auf der Straße rumhängen und Touristen abzocken ist wesentlich lukrativer als jeden Tag für einen Hungerlohn acht Stunden zu arbeiten oder eine gute Ausbildung zu machen.

Zurück nach Trinidad an den Busbahnhof. Wir durchbrechen eiligst eine ganze Menschenkette von Schleppern, Casa-Besitzern, Taxifahrern und Gastronomen mit den Worten „no necessito nada“ (ich brauche nichts) oder „tenemos una reserva“ (wir haben eine Reservierung) um dem ganzen Nepp zu entkommen. Es ist nicht so, dass man für die Situation der Kubaner und insbesondere der Jineteros kein Verständnis hätte. Wir haben Kuba in den ersten zwölf Tagen wirklich von allen Seiten kennengelernt und viel Armut und Mangelwirtschaft gesehen. Ein wirklich komisches Gefühl, wenn man einen Laden betritt, in dem es nichts zu kaufen gibt, weil die Regale praktisch so gut wie leer sind. Aber was einem irgendwann auf die Nerven geht ist das permanente „angequatschtwerden“ auf der Straße. An unserem ersten Nachmittag in der Stadt werden wir über 50mal angesprochen. Man bietet uns Souvenirs (made in China), Zigarren (natürlich die Billigen), Rum, Pferdetouren (auf Klappereseln), Taxis (ohne Lizenz), Unterkünfte, Restaurants und vieles mehr an. Irgendwann liegen die Nerven allerdings blank und man schlägt eine rauere Tonart an oder reagiert gar nicht mehr und läuft kopfschüttelnd an den Menschen vorüber.
Vor der berühmten Kirche kommen wir dann aber doch noch mit einem Einheimischen ins Gespräch, der durch sein gutes Englisch und seine interessanten Skizzen auffällt. Eine halbe Stunden plaudern wir über Land und Leute. Irgendwann zieht er aus seiner Künstlermappe eine Zeichnung und schenkt sie uns. Klar, dass wir dafür eine kleine Spende in Form eines Scheins rüberschieben. Wir reden weiter über Kuba und seine Probleme und irgendwann mitten im Gespräch werden wir gebeten, noch mal einen Schein für das Bild abzudrücken. Und das, obwohl wir wenige Minuten vorher noch über die nervigen Jineteros diskutiert haben. Leider erschüttert diese Begegnung unseren letzten Funken Vertrauen in die Kubaner.

Auch sind wir uns inzwischen sicher, dass wir in die Fänge der „Casa-Mafia“ geraten sind. Oftmals bitten wir die Gastgeber, eine von uns ausgewählte Casa für den nächsten Tag telefonisch vorzureservieren. Allerdings stellt sich dann am Zielbahnhof oder der Haustüre heraus, dass aus diversen Gründen (Besitzerin im Krankenhaus, Casa schon voll…) aus der Gastmama Marilies eine Marcela wurde. Es ist doch kinderleicht, nach unserer Abreise die Wahlwiederholung zu drücken und zu behaupten, dass die Touristen jetzt leider, leider doch nicht kommen. Dann wird schnell beim Mafiakollegen angeklingelt, Ankunftszeit und Namen durchgeben – und schwups hat man wieder 5 CUC Provision abkassiert. Und wir merken nicht mal, wenn die Provision selbstverständlich auf den Zimmerpreis draufgeschlagen wird. Nein, wir sind ja eigentlich dankbar, dass wir mitten in der Nacht abgeholt werden und noch was zu Essen bekommen. Letztlich ist Bett doch gleich Bett und Grund zur Beschwerde gab es nie. Wir haben es ja noch gut erwischt, denn wir lernen in Santa Clara zwei Mädels kennen, die mit Namensschild am Busbahnhof abgeholt wurden, ohne zuvor überhaupt eine Reservierung getätigt zu haben. So wurden beide tagelang durch „das kubanische Spinnennetz“ weitergereicht. Diese Geschichte lehrt uns, möglichst den Zielort bei den Gastgebern im mysteriösen zu belassen. Ganz schön tricky diese Kubaner…

 

Bei der überwältigenden Mehrheit unserer Begegnungen mit Einheimischen auf der Straße stellt sich sehr schnell heraus, dass es nur um unser Geld geht. Lediglich in Matanzas und Vinales lernen wir nette Leute kennen, die uns Geschichten erzählen oder uns auf ein Glas Rum einladen – ganz ohne finanzielle Absichten.

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