Um eine Stadt wie Manila hautnah zu erleben, empfiehlt sich eine Rundfahrt mit den Öffis. Also rein in die Schnellbahn. Doch so einfach läuft das hier nicht. Man muss sich zuerst mal in eine laaaaaaange Schlange vor dem Ticketschalter einreihen. Hat man ein Ticket ergattert, stellt man sich in die nächste Schlange für den Sicherheitscheck. Taschen öffnen und abtasten, dann geht es endlich durch die Bahnsteigsperren. Auf dem Weg in die Innenstadt ist umsteigen angesagt. Die beiden Metrolinien sind aber weder tariflich noch räumlich miteinander verknüpft. Also mehrere hundert Meter Fußweg und dann wieder Schlangestehen. „Rapid Transport“ funktioniert nach europäischen Verständnis irgendwie anders. Die Mittagssonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Wir bummeln ein wenig durch den Rizal Park, entdecken aber nichts Sehenswertes. Also weiter zum Bahnhof. Nur welches der hundertfach herumkurvenden Jeepneys fährt denn jetzt unsere Route? Der Wasserverkäufer am Straßenrand lächelt und wedelt mit einer eisgekühlten Flasche vor unseren Nasen herum. Wir werden schwach und kaufen, der nette Mann stoppt anschließend das richtige Jeepney für uns. Win-win-Situation 🙂
Am Anfang geht die Fahrt noch relativ flüssig voran, aber im Herzen von Manila stecken wir irgendwann im Stau fest. Es geht nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts. Man setzt uns kurzerhand an die frische Luft – Ende der Fahrt. Ein ortskundiger Mitreisender aus Japan ist die Rettung, er führt uns durch das Gewusel von crazy Manila hindurch. Die Straße hat sich mittlerweile in einen riesigen Markt verwandelt. Neben und zwischen den stehenden Autos preisen Verkäufer ihre Waren an. Müll liegt am Boden, Plastiktüten schweben über unseren Köpfen wie bunte Luftballons. Der unscheinbare Eingang zum Bahnhof führt zunächst durch eine Shoppingmall. Brautmodegeschäfte säumen den Weg. Ob hier irgendwo auch Züge verkehren? Der Japaner ist skeptisch und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als wir offenbaren, mit dem Zug weiterzufahren. Irgendwann lichtet sich der Textildschungel und am Horizont taucht das Portal des „Hauptbahnhofs“ vor uns auf. Einmal die Stunde verkehrt ein Pendelzug vom Bahnhof Tutuban durch die südlichen Stadtviertel, dazu ein täglicher Nachtzug in den Süden der Insel Luzon. Mehr Züge gibt es auf den Philippinen nicht! Zwei Handvoll Züge in einer 12-Millionen-Megacity, unfassbar! Der Fahrgastandrang ist kaum noch zu bewältigen. Wie eine Ölsardine kleben wir an der Türe und starren nach draußen. Entlang der Bahnstrecken leben die Menschen in Elendsvierteln. Wellblechhütten und Baracken säumen den Streckenverlauf. Die Menschen leben direkt auf den Gleisen, so erscheint es uns. Nackte Kinder spielen Fangen, Frauen legen die Wäsche ins Gleisbett zum trocknen und Männer sitzen in kleinen Grüppchen auf schäbigen Sofas zusammen. Derweil wird die Bahn immer voller, kein einziger Fahrgast steigt aus, dafür an jedem Bahnsteig hundert Neue ein. Wir sind froh, dass wir an der vierten Station umsteigen können. Der Bahnsteig ist allerdings dermaßen voll, dass wir nur mit sanfter Gewalt an den Menschenmassen vorbei kommen.
Wir wollen uns noch etwas die Beine vertreten und erkunden die unvertraute Umgebung. Da treffen wir zufällig auf einige Männer mit urigen Gefährten, die uns staunen lassen. Unmittelbar nach Durchfahrt der S-Bahn hieven starke Männer selbstgebaute Draisinen auf die Gleise. Die Teile sehen aus wie riesige Holzschlitten, in der Mitte befindet sich ein Sonnenschirm. Die „Trolleys“ werden von Hand geschoben und erreichen – auf der von planmäßigen Zügen befahrenen Strecke – ganz ordentliche Geschwindigkeiten. Als Räder fungieren Kugellager, in der Spur gehalten werden sie durch Holzklötze. Ob wir eine Runde fahren wollen? Aber Hallo! Für kleines Geld chartern wir einen Trolley für eine Rundfahrt – und ab geht die wilde Fahrt durch crazy Manila. Wir erkundigen uns nach den Fahrplankenntnissen unseres Fahrers und sind beruhigt, als er ganz genau aufzählen kann, um welche Zeit, welcher Zug auf welchem Gleis vorbeikommen wird. Ganz ungefährlich ist die Sache dennoch nicht, da die Züge den Fahrplan nur selten einhalten. Wenn es von hinten pfeift, sollte man schnell von den Gleisen runterkommen. Wird nur schwierig, wenn man sich auf der riesigen Flussbrücke befindet, die wir gerade überqueren… Doch wir haben Glück – kein Zug im Anmarsch. Schade eigentlich, das hätte sicher ein aufregendes Foto gegeben. Nach etwa zwei Kilometern sind wir am Ziel. Unser Fahrer hebt das Gefährt aus den Gleisen und auf dem Gegengleis flitzen wir zurück zur Bahnstation. Wir erfahren, dass der Streckenrekord bei ungefähr sieben Minuten liegt, wer es allerdings derart eilig hat, bezahlt aber auch den doppelten Fahrpreis. Der „Trolleyboy“ muss ziemlich aufpassen, dass er mit seinen Flip-Flops nicht auf dem blanken Schienenkopf ausrutscht und zwischen die Schwellen fällt, denn da kann man sich leicht die Beine brechen. Die vergnügliche Fahrt endet nach etwa einer halben Stunde. Wir unterhalten uns noch eine geschlagene Stunde mit den Jungs und schließen unglaublich nette Bekanntschaften. Bevor wir weiterfahren, spendieren wir den Jungs einige Flaschen Bier. Die werden uns geradezu aus den Händen gerissen und freudestrahlend winkt man zum Abschied hinterher.
Gottseidank haben wir uns den Stadtplan gut eingeprägt, denn so marschieren wir zwar frei Schnauze, aber nicht ganz ohne Plan, in Richtung der nächsten Metrohaltestelle. Die Rushhour hat mittlerweile eingesetzt und so sind die Warteschlangen noch länger und die Bahnen noch voller. Beim Umstieg zwischen der blauen und der lilanen Metrolinie muss man zwei große Shoppingmalls durchqueren – und so kollidiert der Strom der müden Pendler mit demjenigen der hyperaktiven Shoppingfanatiker. Es dauert eine Ewigkeit, bis wir die Umsteigestation erreichen, uns zweimal in der Schlange anstellen und endlich in der Bahn nach Hause sitzen. Was für ein Großstadtabenteuer!
Der Lack bei der Philippines National Railway ist schon etwas ab
Das Pausensofa an der Endstation