Es herrscht geschäftiges Treiben auf dem Markt von Samut Songkhram. Die Marktfrauen preisen Gemüse, Fisch und Fleisch lautstark an und die vielen Käufer schieben sich dicht gedrängt durch die enge Gasse. Der Geruch von getrocknetem Fisch und blutigem Fleisch setzt sich in den Nasenflügeln fest und vernebelt bei 30 Grad feucht-schwüler Hitze die Sinne. Akute Brechreizgefahr… Wir könnten uns überall in Südostasien befinden – wäre da nicht diese eine, ganz und gar außergewöhnliche Besonderheit, die Samut Songkhram’s Markt zu Weltruhm verholfen hat (zumindest unter Eisenbahnfans): der Markt steht auf den Bahngleisen.
Frühmorgens um Punkt 06:20 Uhr ertönt das Signalhorn des abfahrbereiten Triebwagens nach Ban Laem und schlagartig setzt eine Verwandlung des Marktes ein. In Windeseile werden Sonnenschutzdächer eingeklappt und rollengelagerte Waren zur Seite geschoben. Die enge und überdachte Gasse wird binnen Sekunden zu einer Schneise für das Schienenfahrzeug umgebaut. Wo eben noch Gurken, Fische, Tomaten, Meeresfrüchte, Salate, Mangos und dergleichen gestapelt waren, lugt nun tatsächlich ein rostiger Schienenstrang aus dem lehmigen Untergrund hervor. Nur 90 Sekunden später schiebt sich ein stählernes Ungetüm wie ein Lindwurm durch die Menge. Die Menschen harren in Nischen und Seitengassen aus. Arme und Beine zieht man sicherheitshalber so weit als möglich ein.
Einen Meter hinter dem Zug springen die Marktfrauen mit einem Satz auf die Gleise und klappen die Sonnendächer wieder nach unten. Einen weiteren Augenblick später liegen wieder Fische, Obst und Gemüse im Gleisbett, als wäre der Zug eine Fata Morgana in der schwülen Hitze Thailands gewesen. Kurze Zeit hört man noch einen Dieselmotor und das klick-klack der Gleise in der Ferne, ehe der wiedereinsetzende lautstarke Handel diese Geräusche verschluckt.
Acht Züge passieren den Markt täglich. Die Menschen in Samut Songkhram sehen darin vermutlich nichts Besonderes. Wohl jedoch die Busladungen von Touristen, die um 08:30 Uhr aus Bangkok hier her gekarrt werden und zu hunderten den Markt bevölkern. Die Stimmung des Fotografen ist im Keller. Leider kein Geheimtipp mehr dank Pauschaltourismus… Doch sofort nach der zweiten Zugdurchfahrt des Tages sind die Massen wieder verschwunden. Der Fotograf triumphiert innerlich und ist ein wenig schadenfroh, dass der um eine Stunde verspätete Zug wohl den Tagesablauf sämtlicher Touristentouren durcheinander gewirbelt haben dürfte. Den ganzen Tag lässt sich kaum mehr ein Farang (=Langnase) blicken und so kann die Einzigartigkeit dieses Marktes ausgiebig mit der Kamera dokumentiert werden.
Ein kleiner Obolus für die Eigentümer und schon eröffnet sich dem Fotografen vom Dach eines benachbarten Wohnhauses diese Modellbahnperspektive…