Wer sich in China individuell fortbewegen will, sollte nie vergessen, vorab das Ziel in chinesische Schriftzeichen auf ein Stück Papier übersetzen zu lassen. Wir wollen heute von Suzhou nach Beijing. Leider haben chinesische Hochgeschwindigkeitszüge die Angewohnheit, nicht vom Hauptbahnhof, sondern vom Nord-/Süd-/West-/ oder Ostbahnhof abzufahren. Der Linienbus soll uns zum 20 Kilometer außerhalb gelegenen Nordbahnhof bringen, denn Taxifahren kostet teueres Geld. Also immer schön das handgeschriebene Zettelchen vorzeigen und den Handbewegungen der Chinesen folgen. Der erste schickt uns hundert Meter nach rechts. Der Nächste guckt den Zettel an, nickt freundlich – so als ob er den Weg selbstverständlich kennen würde – und schickt uns in die gleiche Richtung nach links wieder zurück. Wir kennen das Spielchen aus Südostasien bereits. Bevor ein Asiate gestehen muss, dass er den Weg nicht kennt, schickt er dich lieber in die falsche Richtung. Es geht darum, „Gesichtsverlust“ zu vermeiden – der größte Alptraum eines Asiaten.
Uns wäre ein ehrliches „keine Ahnung“ zwar lieber, aber wir fragen halt einfach den nächsten Chinesen. Der erweist sich als überaus freundlich und eskortiert uns mit seinem Moped die restlichen hundert Meter bis zur Haltestelle. Dafür will er dann tatsächlich 10 Yuen haben. Wir lachen ihn aus und schütteln mit dem Kopf. Nach dem Weg fragen hat noch nirgends wo auf der Welt Geld gekostet. Das sieht auch die ältere chinesische Frau neben uns so. Sie schreit den jungen Mann plötzlich an und liest ihm ordentlich die Leviten. Zwanzig weitere Köpfe drehen sich in unsere Richtung (glotzen tun sie nämlich sehr gerne die Chinesen). Beleidigt knattert der Wegweiser schließlich davon – und wir sitzen im richtigen Bus. Der Fahrer hat unser kleines Zettelchen zur Kenntnis genommen und nach einer halben Stunde stehen wir tatsächlich vor dem Nordbahnhof. Kostenpunkt 2 statt 100 Yuen mit dem Taxi.